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4 Fortsetzung von Seite 1 Im September 2024 hat Aluminium Deutschland e.V den Austritt aus dem Dachverband der NE-Metallindustrie, der WirtschaftsVereinigung Metalle e.V., beschlossen. Wie kam es zu die-sem Antrag und welche Gründe haben zu diesem Entschluss geführt? Rob van Gils: Die Ankündigung des Kupferverbandes im Herbst 2023 machte eine Diskussion um die Struk-tur, den Schwerpunkt und auch über die Finanzen der WVMetalle unum-gänglich. Die WVMetalle hatte dazu zu Beginn des Jahres 2024 einen Pro-zess angestoßen, um Schwerpunkte der Arbeit aus Sicht der Mitglieder neu zu bestimmen. Allerdings sind wir trotz intensiver Debatte innerhalb des WVMetalle-Präsidiums nicht zu einem tragfähigen Konsens gelangt. Wir ha-ben bereits im Sommer im Kreise des WVMetalle-Präsidiums mitgeteilt, dass wir zum Jahresende kündigen würden. Ziel war vor allem, die Diskussion schnell in eine konstruktive Richtung zu lenken. Denn die Tatsache, dass wir die WVMetalle mit weniger Bud-get neu aufstellen müssen, war von Beginn an klar. Wir können allerdings auch keine Zeit verlieren. Ab Januar 2026 müssen und werden wir unsere Interessensvertre-tung in Berlin sicherstellen. Gerne hät-ten wir das in einer WVMetalle 2.0 fortgesetzt. Aber wir können mit un-serer Entscheidung nicht ewig warten. Ab einem gewissen Zeitpunkt mussten wir uns festlegen. Denn ein Vakuum in der politischen Interessensvertre-tung kann sich keine Industrie leisten, auch Aluminium nicht. Es wurde aber rasch deutlich, dass die aus unserer Sicht notwendige Reform nicht mehrheitsfähig war. Daher ha-ben wir uns Anfang November in den Gremien von AD auf den Ausstieg ver-abredet. Marius Baader: Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht. Unsere Mitglieder waren und sind mit der Arbeit der WVMetalle zufrieden. Wäre diese deutliche Finanzierungs-lücke nicht entstanden, wir hätten die-se Diskussion nicht geführt. Die Ent-scheidung ist von der Breite des Ver-bandes einstimmig mitgetragen wor-den. Sie ist sowohl im Präsidialaus-schuss als auch im Präsidium getrof-fen und auch in der anschließenden Mitgliederversammlung ohne Gegen-stimme verabschiedet worden. Eine Entscheidung, die Folgen haben wird. Ist das Ende der Mitgliedschaft definitiv oder könnte eine Neuausrich-tung der WVM den Weg zurück er-möglichen? Rob van Gils: Die Kündigung wird zum Januar 2026 wirksam. Das haben wir bewusst so gelegt, um noch genü-gend Zeit für den Dialog zu haben. Aber eben auch, um genügend Zeit zu haben, unsere Interessensvertretung in Berlin neu aufzustellen. Wir waren seit Januar 2024 absolut bereit, neue Wege mit den Partnern zu gehen. Aber der Punkt, bis zu dem es ein Zurück geben kann, wurde im November überschritten. Wir können es uns nicht leisten, ab Januar 2026 ohne gut funktionierende Interessens-vertretung zu agieren. Das sind wir den AD-Mitgliedern schuldig, das ist unsere Pflicht. Derzeit engagieren sich in Düsseldorf 16 Mitarbeiter für die Mitglieder von AD. Welche Abteilungen wollen Sie im kommenden Jahr aufstocken? Wol-len Sie Ihr Büro in Berlin personell erweitern oder ist ein Umzug von AD nach Berlin angedacht? Marius Baader: Wir werden uns auf der einen Seite personell verstärken. Wir sind dazu derzeit in Gesprächen mit Kandidatinnen und Kandidaten, um die zentralen Themen mit hoher Kompetenz weiter zu bearbeiten. Wir werden dazu das Büro in Berlin weiter ausbauen. Und auch einige Mit-arbeiter, die bisher in Düsseldorf waren, nach Berlin versetzen. Ein Umzug des gesamten Verbandes ist derzeit nicht geplant. Die Nähe zu den Unterneh-men, ein zentraler Grund des Verban-des, in Düsseldorf zu sein, zählt wei-terhin. Gerade für die vielen kleineren und mittelständischen Unternehmen, die immer wieder zu dutzenden Ar-beitskreisen, Ausschüssen, Workshops und Schulungen zu uns kommen. Werden Sie die Presse- und Öffent-lichkeitsarbeit für Aluminium in der Zukunft ausbauen oder überlassen Sie die Werbung für den Werkstoff weiter den Mitgliedern? Rob van Gils: Die Kommunikation von AD hat sich in den letzten Jahren bereits deutlich geändert. Die Alumi-niumindustrie erlebt derzeit eine Krise, die wir vorher nicht in dieser Form erlebt haben. Von daher ist es uns, als Branche, als Verband, als Unterneh-men, sehr wichtig, darauf hinzuweisen. Schaut her, hier steht gerade eine Branche am Scheideweg, von der so-gar die EU sagt, sie sei strategisch hochrelevant. Das heißt aber nicht, dass wir keine Werbung für den Werkstoff mehr ma-chen. Denn wir wären ja nicht strate-gisch, wenn Aluminium nicht diese Ei-genschaften hätte, die es so relevant machen würde. Das müssen und wer-den wir immer wieder erklären. Wir können nicht voraussetzen, dass je-dem, auch jedem Politiker, klar ist, wo Aluminium überall eingesetzt wird. Und wie es hilft, die Produkte unserer Kunden deutlich effizienter, leichter, besser und letztlich auch deutlich nachhaltiger zu machen. Wie viele Unternehmen aus der Alu-miniumindustrie sind über den AD im WVM organisiert? Werden in der Fol-ge nicht insbesondere die wirtschafts-politischen Interessen der deutschen Mitgliedsunternehmen leiden? Marius Baader: Jedes Unternehmen, das ordentliches Mitglied bei AD ist, ist automatisch auch Mitglied in der WVMetalle. Das ist ein zentraler Bau-stein unserer Kooperation. Das bedeu-tet nicht zwangsläufig, dass auch jedes Unternehmen aktiv in der Arbeit der WVMetalle war. Aber die Ergebnisse und Positionen, die dort entstanden sind, standen und stehen jedem AD-Mitglied zur Verfügung. Rob van Gils: Dieser Schritt bietet auch deutliche Chancen für Alumini-um. Wir werden künftig über einen Werkstoff sprechen und nicht mehr über die NE-Metalle. Das macht ein-heitliche Positionen und einheitliches Eintreten durchaus auch klarer. Wir wollen mit diesem Schritt sicher-stellen, dass die politischen Interessen unserer Mitglieder nicht leiden. Daher haben wir mit dieser Deutlichkeit auf eine konstruktive Diskussion und idea-lerweise auf eine neue Art der Zusam-menarbeit gedrängt. Und am Ende die Entscheidung getroffen, die Interes-sensvertretung neu aufzustellen. Denn die optimale Vertretung vor allem in Berlin ist in diesen turbulenten Jahren unverzichtbar. Gibt es schon Reaktionen Ihrer Mit-gliedsunternehmen auf den geplanten Schritt? Rob van Gils: Die Mitgliedsunterneh-men haben wir von Beginn an infor-miert. Sie begrüßen, dass wir sicher-stellen, dass Aluminium mit lauter und klarer Stimme in Berlin hörbar sein wird. Herr van Gils, Sie sind Präsident von AD, gleichzeitig auch Vizepräsident in der WV Metalle. Der Austritt könnte das wirtschaftliche Aus für die Orga-nisation bedeuten. Ist das ein Interes-senskonflikt für Sie? Rob van Gils: Ja, das ist es. Und die-ser Interessenskonflikt, wie Sie es nennen, hat in den internen Diskus-sionen bei AD von Anbeginn an eine zentrale Rolle eingenommen. Klar ist aber auch: Wir müssen kluge und zu-kunftsfähige Entscheidungen treffen. Als Präsident von AD bin ich es un-seren Mitgliedern schuldig, sie mit ih-ren politischen Anliegen nicht allein zu lassen. Die deutsche und europäische Alumi-niumindustrie befindet sich in einer wirtschaftlich dramatischen Situation und muss einen Strukturwandel be-wältigen. Ist es sinnvoll, gerade jetzt auf eine einflussreiche Branchenver-tretung und deren Netzwerke in Berlin und Brüssel zu verzichten? Rob van Gils: Ich stelle die Gegenfra-ge: Ist es sinnvoll, weiterhin auf eine funktionierende Branchenvertretung zu verzichten, indem wir uns aus Sorge um notwendige Entscheidungen drü-cken? Wir haben uns diesen Schritt nicht leichtgemacht. Ich kann kaum mehr nachvollziehen, wie oft wir im Präsidialausschuss zu Sondersitzungen zusammengekommen sind, um für und wider abzuwägen und letztlich auch, um eine Entscheidung zu treffen. Wir sind sowohl konjunkturell als auch strukturell/politisch so gefordert wie wohl noch nie. Und da können wir uns eine Leerstelle in dieser zen-tralen Aufgabe nicht erlauben. AD ist in vielen zentralen Themen, die Aluminium betreffen, in Berlin und Brüssel gut vernetzt und sehr aktiv. Wir bilden derzeit noch nicht das ge-samte thematische Spektrum ab, aber da werden wir uns gezielt verstärken. Und dass wir künftig eben nur über Aluminium sprechen, ist ein Vorteil für uns. Es ist klarer greifbar, wir kom-men schneller zum Konsens und kön-nen unsere Punkte entlang der gesam-ten Lieferkette unseres Werkstoffs klar und deutlich aussprechen. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall. Für uns ist das eine Chance, das Profil unserer Industrie zu schärfen und noch klarer ins Bewusstsein politi-scher Entscheidungen und Entschei-der zu bringen. Die politische Arbeit im Verband Eu-ropean Aluminium (EA) erfolgt oft im Hintergrund. Glauben Sie, mit Euro-pean Aluminium ausreichend für die Zukunft aufgestellt zu sein? Rob Van Gils: Den Eindruck, EA wür-de vornehmlich im Hintergrund agie-ren, kann ich nicht bestätigen. EA ist in Brüssel ein hochgeschätzter An-sprechpartner, gut vernetzt und am Puls der Zeit. Dass die Aktivitäten in Deutschland nicht jedem auffallen, mag an der Distanz zu Brüssel liegen. Aber Ihr Eindruck stimmt definitiv nicht mit der Wirklichkeit überein. Marius Baader: Wir sind im engen Austausch mit EA, zu diversen The-men. Ohne starke nationale Interes-sensvertretung ist in Brüssel nicht viel zu gewinnen. Wir spielen uns regel-mäßig die Bälle zu. Wenn Sie an die handelspolitischen Themen denken, ist zwar Brüssel maßgeblich. Aber oh-ne starkes Votum aus den Mitglieds-staaten in diversen Arbeitsgruppen wird auch Brüssel selten valide ent-scheiden können. Wir stellen sicher, dass in der Bundesregierung alle re-levanten Daten und Fakten und na-türlich auch die Position der deut-schen Aluminiumindustrie bekannt sind. Und andersrum ist es genauso. AD und EA bilden ein starkes Duo. Wie hat sich die Zusammenarbeit zwi-schen AD und WVM gestaltet? Welche Impulse kamen aus Berlin, die für AD besonders wertvoll waren? Rob van Gils: Wir haben die Zusam-menarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen der WVMetalle immer ge-schätzt. Die Interessensvertretung der Industrie ist schlicht unverzichtbar. Es ist aber auch nicht unbedingt einfa-cher, in allen Themen zu einem Kon-sens der Trägerverbände zu kommen. Jede Branche hat ihre eigenen Gesetz-mäßigkeiten, ist auch für sich sehr er-klärungsbedürftig. Wie hoch waren die Beiträge, die Sie jährlich an die WVM geleistet haben? Gibt es Pläne, wie Sie diese Mittel künftig einsetzen werden? Rob van Gils: Sehen Sie mir nach, dass ich zu konkreten Zahlen keine Auskunft geben möchte. Aber seien Sie versichert, die intensivierte Interessens-vertretung der deutschen Aluminium-industrie ab Januar 2026 wird auch entsprechend finanziell ausgestattet werden. Es geht in dieser Frage nicht darum, den Verbandsetat zu entlasten. Meine Herren, ich bedanke mich für dieses Interview und Ihre umfassen-den und aufschlussreichen Antworten Marius Baader: „Wir können nicht voraussetzen, dass je dem, auch jedem Politiker, klar ist, wo Aluminium überall eingesetzt wird“Rob van Gils: „Wir dürfen keine Zeit verlieren: Ab Januar 2026 müssen und werden wir unsere Interessens -vertre tung in Berlin sicherstellen“